Die Eindrücke sind frisch. Die Daten noch dünn. Die Seele wund. Der Kopf noch am kreiseln. Dennoch lohnt es sich einen Blick auf die US-Wahlergebnisse zu werfen und eine erste Einschätzung zu versuchen. Hier sind drei erste Take-Aways zur Wahl von Donald J. Trump. Ich bin mir sicher, dass ich noch nicht alles verstanden habe, was da passiert ist. Aber dennoch, will ich den Versuch wagen, meine Gedanken zu sortieren und mit euch zu teilen.
1. Wunsch nach Wandel
Die AmerikanerInnen haben in großer Mehrheit für Veränderung gestimmt – und zwar in Form von Donald Trump. Paradox? Ja, denn Trump war bereits Präsident und ist somit kein klassischer „Change-Kandidat“. Dennoch scheint er vielen das Versprechen auf bessere wirtschaftliche Bedingungen zu bieten. Viele Menschen fühlen sich vier Jahre nach der letzten Wahl schlechter gestellt, besonders in Sachen Lebenshaltungskosten und Inflation. Die Realität an der Supermarktkasse spricht eine andere Sprache als die optimistischen Schlagzeilen über die Inflation. Für viele AmerikanerInnen bleibt das Gefühl, dass es jemanden braucht, der dieses persönliche Finanzdilemma angeht – und Trump hat das überzeugend besetzt.
2. Die Suche nach Schuldigen
Krisen fördern die Suche nach Verantwortlichen, und Trump hat diese Dynamik in seiner Kampagne gezielt genutzt. Er zeigt auf EinwanderInnen und beschreibt sie als Ursache vieler Probleme – eine Taktik, die auch bei uns in Deutschland bekannt ist. Er lenkt den Frust über die wirtschaftliche Lage auf „die anderen“. Die Mechanismen dieser Schuldprojektion sind altbekannt und dienen dazu, klare Feindbilder zu schaffen. Hier sollten wir in Europa genau hinsehen, um ähnliche politische Entwicklungen zu verstehen und zu hinterfragen.
3. Kurze Wahlkampfdauer und fehlende Profilbildung
Kamala Harris hatte nur wenig Zeit, sich unabhängig von der Biden-Administration zu positionieren. Mit rund 100 Tagen Wahlkampf ist es schwer, Vertrauen und ein klares Profil aufzubauen, insbesondere für Menschen, die sich nicht täglich mit Politik beschäftigen. Eine organisierte Staffelübergabe von Biden zu Harris hätte womöglich eine nachhaltigere Wirkung gehabt. Doch auch in den wenigen Wochen zeigte sich, dass Engagement wirkt: In den Swingstates, wo Harris gezielt auftrat, konnte sie sich besser behaupten als in Staaten ohne sichtbare Kampagne. Der Effekt war gering, aber er zeigt, dass Wahlkampf und Engagement lohnenswert sind, auch wenn das Ergebnis diesmal enttäuschend war.
Fazit
Die Wahl wirft wichtige Fragen auf – nicht nur für die USA, sondern auch für uns. Die Dynamik von Wandel, Schuldzuschreibungen und politischem Engagement bleibt relevant. Es ist entscheidend, optimistisch und verantwortungsvoll auf die Demokratie zu setzen, auch in schwierigen Zeiten.
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